PORTRÄT: Sängerin und Schauspielerin Roswitha Goos verkörpert im Jubiläumsjahr die Stadt-Stifterin / Im Gespräch verrät die 58-Jährige, was die Rolle ausmacht
Sie haucht historischer Figur Leben ein
Von unserem Redaktionsmitglied Katharina Schwindt
Agana – diese Dame ist spätestens seit diesem Jahr in der Stadt beinahe jedem bekannt. Aufzeichnungen des Lorscher Codex zufolge schenkte sie am 21. Dezember 766 ihre Besitztümer auf dem Flecken Erde, auf dem heute Schwetzingen angesiedelt ist, an das Kloster Lorsch. Darauf geht die erste urkundliche Erwähnung der Stadt zurück, die nunmehr 1250 Jahre zurückliegt und somit die Basis für das große Stadtjubiläum bildet.
Da die Dame logischerweise nicht mehr unter uns weilt, erklärte sich Roswitha Goos dazu bereit, sie anlässlich der 1250-Jahrfeier ehrenvoll zu vertreten, also in die Agana-Rolle zu schlüpfen. „Birgit Rechlin, die Leiterin des Karl-Wörn-Hauses, kam auf mich zu und fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, die Agana zu spielen“, erinnert sich die gebürtige Heidelbergerin. Sie habe, ohne zu zögern, „ja“ gesagt.
Haube lag im Briefkasten
Natürlich sei es eine Herausforderung gewesen, denn über Agana sei nicht viel bekannt. In Lorsch (das damalige Lauresham) habe sich die 58-Jährige auf Spurensuche begeben, zusammen mit einem Archivar aus Bretten recherchiert, welche Kleidung im Jahr 766 getragen wurde. „In einem Kostümverleih in Mannheim wurde ich schließlich fündig“, erzählt Goos.
Doch was sie nicht ahnte: Ihr Agana-Outfit war noch nicht ganz authentisch. Wenige Tage nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt am 1. Januar beim Festakt vor dem Palais Hirsch habe in ihrem Briefkasten eine Kopfbedeckung gelegen. Auf einem beiliegenden Notizzettel habe gestanden, dass diese Haube der damaligen Zeit angemessener sei. Ein Absender stand nicht dabei. „Ich weiß bis heute nicht, wer mir dieses Geschenk gemacht hat. Dabei würde ich mich gerne bei dieser Person bedanken“, merkt Roswitha Goos an.
Doch nur mit der richtigen Robe sei es noch nicht getan – sie habe zudem gelernt, wie die Menschen damals sprachen und sich bewegten. „Sobald ich in mein Kostüm schlüpfe, werde ich zu Agana, spreche vornehm und bewege mich mit Bedacht.“ Als Beispiel nennt sie die Situation, wenn eine Person sie auf der Straße mit „Hallo Frau Goos“ anspreche. Dann antworte sie immer: „Spricht er mit mir?“ Oder wenn sie jemand aus Versehen anrempelt: „Wie pöbelhaft er ist, lerne er sich mal benehmen.“
Dass Roswitha Goos ihre Rolle so gut verkörpert, hat sie nicht nur ihrem Talent zu verdanken. Von 1981 bis 1998 machte sie eine Gesangs- und Schauspielausbildung neben ihrer Tätigkeit als Erzieherin. Seitdem ist sie als Kabarettistin auf regionalen Bühnen unterwegs. „Schon mit 20 trat ich oft als Clown auf. Mein Vater hatte ähnliche Ambitionen, den Humor habe ich wohl von ihm geerbt“, weiß Goos. Die Hälfte ihres Lohns sei in die künstlerische Ausbildung geflossen, unter anderem für Gesangsstunden in Berlin bei Ida Kelarova.
Dort sei sie in den 90er Jahren auch eine Zeit lang auf der Schillerbühne gestanden in dem Stück „Mutter Courage“. Schnell habe sie gemerkt, dass die „ernste Bühne“ jedoch nichts für sie ist. Sie zog es in die humoristische, kabarettistische Richtung. „Das merkte auch Ausbilderin Marilyn Fried, die zu mir sagte, du bist gut, aber nicht in dieser Rolle. Bitte spiele komische Sachen‘.“
Diesem Rat folgte sie und schlüpfte bei der Theatergruppe „Hexebese“ in die Rolle der göttlichen Venus oder des coolen Rappers. „Meine Paraderolle ist jedoch, die Dame im Frack‘. Dafür habe ich ein Jahr lang Männer studiert, ging in Kneipen, sah zu, wie sie reden und gehen“, verrät die Künstlerin. Sobald sie zum „Mann“ werde, verhalte sie sich auch wie einer und sei sogar ein wenig dem weiblichen Geschlecht zugetan.
Im Hirschacker zu Hause
Dass Roswitha Goos extrovertiert, laut und offen ist, wird auch im Gespräch mit unserer Zeitung schnell klar. Man merkt, dass sie für das Schauspiel und den Gesang lebt, auf Menschen zugeht und diese gerne zum Lachen bringt. „In einer Zeit, in der einem nicht immer zum Lachen ist, ist es doch wichtig, ein wenig Fröhlichkeit unter die Menschen zu bringen“, findet Goos, die zusammen mit ihrem Ehemann im Hirschacker wohnt.
In diesem Jahr wird sie noch viele Auftritte als Agana haben und dann auch hoffentlich den ein oder anderen zum Lächeln bringen.
© Schwetzinger Zeitung, Mittwoch, 06.04.2016
Mit freundlicher Genehmigung der Schwetzinger/ Hockenheimer Tageszeitung